Hartz Four - eine Superhelden-Kurzgeschichten-Saga


Seit Jahren sind Hartz-IV-Empfänger die Deppen der Nation. Ob in Ein-Euro-Jobs als billige Arbeitskräfte missbraucht oder vom Jobcenter schikaniert – immer müssen Hartzies herhalten. Doch jetzt treten vier Superhelden in Berlin-Neukölln an die Seite der Armen und Entrechteten: Hartz – Four!

Dietmar Röber


Dietmar

Sandra Röber


Mike Matschke


Fred


Der Boss der Truppe verlor bei einem Unfall sein rechtes Auge. Das Glasauge, das man ihm dafür einsetzte, befähigt ihn nun durch Gegenstände schauen zu können...Dietmars kleine Schwester ist mit allen esoterischen Wassern gewaschen! Häufig sind es ihre prophetischen Träume, die der Hartz-Four Gruppe zeigen, welche arme Hartz-IV-Seele gerade Hilfe braucht.Seit einem allergischen Anfall verfügt dieser Bodybuilder über enorme physische Kräfte, die er allerdings nicht immer kontrollieren kann.Diesem Vollbluttrinker ist es gelungen seine Alkoholfahne zu domestizieren: Diese kann sich unsichtbar durch Räume bewegen und Stimmen imitieren - Sie ist das heimliche fünfte Mitglied des Hartz Four - Clans...



Dienstag, 4. Dezember 2012

Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Letzte Woche wurde Hartz-Four gegründet – jetzt gilt es sich um eine ehemalige Supermarktverkäuferin zu kümmern...

Janet Krause öffnete die Augen. Grelles Licht schien ins Wohnzimmer, die DVD-Player-Anzeige switschte von 11 Uhr 32 zu 11 Uhr 33. Sie lag im Bademantel auf der Couch.
Seit anderthalb Wochen war sie nun arbeitslos und es war nicht die erste Nacht, in der sie vor dem Fernseher eingeschlafen war.
Sie richtete sich auf, griff in die Chipstüte und schlurfte crunchend Richtung Bad. Vor der Klotür blieb sie wie versteinert stehen: Im Flur lag ein großes Paket.
Wie kommt das denn hier her? Soll ich die Polizei rufen?“, schoss es ihr durch den Kopf.
Doch die Neugier war zu groß und sie riss das Klebeband ab: Treueherzen! 46 Rollen Treueherzen! Als sie noch gearbeitet hatte, hatte sie die kleinen Papierherzen tausendfach an Kunden verteilt.
Aber wer hatte das Paket in ihre Wohnung geschmuggelt? War das wieder so eine Aktion wie die mit dieser scheiß Erdnussschale?

Nach der Gründung der Hartz-Four hatte es eine lebhafte, politisch nicht immer korrekte Diskussion gegeben, wie mit dem Fall „Krause“ umzugehen sei.
Die soll flaschn sammln jehn!“, forderte Fred.
Nein,“ entgegnete Dietmar, „sie ist jetzt ein Schützling von uns und sie braucht ein Startkapital. Wenn wir sie mit Pfandflaschen versorgen, vergrößern wir nur den Wettbewerb auf dem Markt. Außerdem braucht sie eine Währung, mit der sie was anfangen kann... Sie bekommt von uns diese Treuepunkte ...“
Herzen, Treueherzen!“, rief Sandra.
Richtig! Man kann die Dinger gegen irgendwelches Edelbesteck und Geschirr und so eintauschen. Für dreißig Treueherzen bekommt man z.B. ein Latte Macchiato-Set. Mit anderen Worten: Mittelschichtler haben durch diese Treueherzen die Möglichkeit, ein bisschen Oberschicht zu spielen. Und obwohl die Krause mittlerweile in der Unterschicht ankommen ist, hat sie bestimmt noch einige Freundinnen aus der Mittelschicht, von denen sie früher um Treueherzen angebettelt worden ist. Jetzt, in Zeiten der Not, sollen diese Treueherzen ihr Startkapital werden.“

Ob das Paket etwas mit ihrem Traum zu tun hatte?, fragte sich Frau Krause, als sie beglückt, aber ratlos auf die Papierrollen schaute.
Auch in der letzten Nacht war es ihr erst nach etlichen tränenreichen Telefonaten gelungen, sich in den Schlaf zu heulen. Keine Chance, da auch noch Freds Jägi-Fahne einzunorden, die sich in ihr Schlafzimmer geschlichen hatte!
Du hast vielleicht deinen Job verloren“, raunte ihr der kleine Flaschengeist zu, „aber dafür vier Freunde gewonnen …“
Vor Janets halb geöffneten Augen verdichtete sich die Alkoholwolke für den Bruchteil einer Sekunde zu einem feinen Nebel, der, beleuchtet vom Mondlicht, ein Herz in die Luft zeichnete. Dann wurde die Fahne wieder transparent und flüsterte: „Wir sind treu – bis zu deiner nächsten Festanstellung.“

Das Telefon klingelte – Birgit? Ob sie ihr das erzählen sollte? Aber ging nicht! Selbst wenn das eine Falle war: Mehr als einmal feuern geht nicht! Und außerdem war Birgit doch schon lange scharf auf das Messerset, das es bei Kaisers für schlappe 50 Treueherzen gab...

Die legendäre Gründungssaga der Hartz-Four-Truppe ist hiermit beendet. Wie geht es nächsten Dienstag weiter?

© Georg Weisfeld c/o Agentur Literatur Hebel & Bindermann


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