Hartz Four - eine Superhelden-Kurzgeschichten-Saga


Seit Jahren sind Hartz-IV-Empfänger die Deppen der Nation. Ob in Ein-Euro-Jobs als billige Arbeitskräfte missbraucht oder vom Jobcenter schikaniert – immer müssen Hartzies herhalten. Doch jetzt treten vier Superhelden in Berlin-Neukölln an die Seite der Armen und Entrechteten: Hartz – Four!

Dietmar Röber


Dietmar

Sandra Röber


Mike Matschke


Fred


Der Boss der Truppe verlor bei einem Unfall sein rechtes Auge. Das Glasauge, das man ihm dafür einsetzte, befähigt ihn nun durch Gegenstände schauen zu können...Dietmars kleine Schwester ist mit allen esoterischen Wassern gewaschen! Häufig sind es ihre prophetischen Träume, die der Hartz-Four Gruppe zeigen, welche arme Hartz-IV-Seele gerade Hilfe braucht.Seit einem allergischen Anfall verfügt dieser Bodybuilder über enorme physische Kräfte, die er allerdings nicht immer kontrollieren kann.Diesem Vollbluttrinker ist es gelungen seine Alkoholfahne zu domestizieren: Diese kann sich unsichtbar durch Räume bewegen und Stimmen imitieren - Sie ist das heimliche fünfte Mitglied des Hartz Four - Clans...



Mittwoch, 16. Mai 2012


Die Hartz-Four Truppe entsteht
Was bisher geschah: Kaum im reichen Zehlendorf angekommen, wird Dietmars Superhelden-Identität von einem Flaschensammler entlarvt....

Bist du… du bist so ein Zauberer, so ein Magier… Nein, du bist: Ein Superheld!“ Der Hartzie geriet richtig ins Schwärmen. Dietmar drückte sich an dem Mundgeruch vorbei.
Jaja, alles klar, kann sein… Du, ich muss jetzt los!“
Ey, nö, warte mal!“ Dietmar sah, wie die eben noch müden Augen des Mannes zu leuchten begannen.
Ich meine, ich kenn mich da aus, ich hab früher diese Superman- und Batman-Comics gelesen. Und ich war ein riesiger Fan von Spiderman …“
Das habe ich sofort gesehen…“, unterbrach ihn Dietmar, doch der andere ließ sich nicht stören.
„…Und da hab ich mir immer vorgestellt, wie cool das wäre, wenn es Spiderman richtig geben würde! Aber klar, die allgemeine Meinung war immer: Die gibt’s nicht, die Superhelden, aber jetzt, ich meine, wo es dich ja gibt… Verstehst du? Du bist ja vielleicht ein Superheld, ohne es zu wissen…“
Er schaute an der schlaksigen Statur Dietmars hoch.
„…Ich meine, das ist wirklich nicht böse gemeint: Du siehst jetzt nicht grade aus wie ein Held. Aber ich sag einfach mal so: Wenn es dich gibt…“
Er reckte sich, um Dietmar zuzuflüstern: „…Warum soll es dann nicht auch richtige Superhelden geben, also die, die so spidermanmäßig durch die Häuser springen können, oder so? Vielleicht gibt es die ja, die werden nur von den bösen Mächten unterdrückt…“
Hätt ich bloß gelogen“, dachte Dietmar. Wenn er auf Superhelden-Nerds traf, wurde es in der Regel nervig, weil er ihnen geduldig die Existenz von diesen amerikanischen Comichelden ausreden musste – das gehörte schließlich zur Aufgabe eines Hartz-Angels, denn ihr Irrglaube konnte den Nerds gefährlich werden: Du darfst in dieser Gesellschaft an die unbefleckte Empfängnis glauben, an die Auferstehung Christi oder an 72 Jungfrauen, die dich im Himmel erwarten, wenn du aber sagst: „Ja, ich glaube an Spiderman, ich bin ein Spidermanjana“, dann hopp, ab geht’s in die Klapse.
Nein, die gibt es nicht!“, antwortete er mit fester Stimme.
Sicher? Aber wieso denn? Du hast doch grade zugegeben, dass du selber ein Superheld bist!“ Dietmar sah in dem Blick eine Mischung aus Trotz und Verzweiflung.
Na ja schon, aber …Na, das ist doch ganz klar: Mich gibt es – ich bin ein Superheld, wie du eben feststellen durftest, aber es gibt keine albernen Comichefte, in denen ich auftauche. Bei Spiderman ist das anders: Es gibt Comichefte über ihn, dafür existiert er aber nicht …“
Und das soll beweisen, dass es Spiderman nicht gibt?“
Ja, so etwas nennt man Dialektik …“
Der Hartzie schwieg für einen Moment.
Verstehe …“, murmelte er frustriert und zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch.
Abgesehen davon ist es doch so viel besser: Was willst du denn mit einem Typen, der an Spinnweben durch die Luft springt. Ich kann dir helfen, deine Flaschen zu sammeln …“
Ja schon“, antwortete der Fremde frustriert und guckte Dietmar aus feuchten Augen an. „Aber ich habe noch nie in einem Comicheft gesehen, dass Leute wie ich, die eigentlich mal Industriemechaniker gelernt haben, in Mülleimern nach Pfandflaschen suchen müssen.“

Auf diese Form der Dialektik hatte selbst Dietmar keine Antwort.
Diese Welt braucht Veränderung! Wieder einmal wurde ihm die Dringlichkeit eines Umsturzes dieser bourgeoisen machiavellistischen Herrschaftsordnung bewusst. Denn wie sollten sie allein, er und seine dreizehn Jahre jüngere Schwester, zu „Angels“ für die Hartzies werden können? Beim Mülldurchforsten helfen – das konnte nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein …
Ich muss jetzt wirklich“, sagte er und ließ den Penner einfach stehen.

Ich weiß genau, wo wir lang müssen“, rief Sandra ihrem Bruder entgegen. „Das ist absolut genau wie in meinem Traum… Jetzt muss ich nur noch meinem Gefühl folgen…“
Na dann fühle mal, ich folge,“ sagte Dietmar und trottete seiner Schwester hinterher.
Nach etwa fünf Minuten hatten die beiden gegenüber einer opulenten Villa Position bezogen und Dietmar richtete sein Glasauge auf das Erdgeschoss.
Das soll also dein Mike sein,“ sagte Dietmar „Oh ho, der hat ja ein richtiges Bodybuilder-Kreuz. Du träumst also nachts von gut gebauten Männern, die…“
Ist dieser Mike jener Mike, der später in die Hartz-Four-Gruppe einsteigen wird? Nächste Woche geht es weiter...


© Georg Weisfeld c/o Agentur Literatur Hebel & Bindermann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen